Das 9-Euro-Ticket und die "Entlastung" der Pendler

Das 9-Euro-Ticket und die "Entlastung" der Pendler

Einen Monat ist das 9-Euro-Ticket alt. Und wie man in den Dresdner Neueste Nachrichten sehen konnte, bin ich auch noch im Besitz eines solchen Tickets. (Danke Maik für das Foto ✌🏻)

Nun, zum Ticket selbst bin ich sehr zwiegespalten. Natürlich bin ich ein Freund davon, wenn sich ein Jeder die Fahrt im öffentlichen Personennahverkehr leisten kann, ohne großartig darüber nachdenken zu müssen, ob man sich den Fahrschein leisten kann. Selbst das Fahren ohne gültigen Fahrschein dürfte mit dem 9-Euro-Ticket so unattraktiv wie möglich geworden sein.

Das Ticket selbst war geboren als reiner Aktionismus. Preise steigen, die Kraftstoffpreise schießen durch die Decke. Es muss was her, das sagt: Schaut her, eure Regierung macht etwas um euch zu entlasten!
Natürlich kann man sich nun hinstellen und sagen: Das kam viel zu kurzfristig, die Verkehrsunternehmen wurden damit überrumpelt, es gab zu wenig Zeit zur Vorbereitung. Aber sind wir mal ehrlich, diese Behauptungen kann ich immer aufstellen, wenn etwas nicht so gut funktioniert, wie es am Besten sollte. Fakt ist, dass der ÖPNV, als auch der SPNV, recht stiefmütterlich angegangen worden ist. Mit zu knappen finanziellen Mitteln, mit schlechten Verknüpfungen an Knotenpunkten und auch sonst bekommt man in einigen Regionen das Gefühl, dass dort auch nur deswegen zweimal am Tag der Bus fährt, damit Oma Liese zum Friseur kann und auch wieder nach Hause kommt.

Ich will an dieser Stelle die Belastung für die Personale nicht klein reden. Auch ich ging der Annahme, dass das Pfingstwochenende und vielleicht noch ein bis zwei Wochen danach hart werden. Mit vollen Zügen, Räumungen, Verspätungen. Danach würden sich die "Neukunden" mit ihrem Schnupperangebot wieder ins Auto setzen, mit der Bestätigung, dass das Bahn und Bus fahren wirklich nicht toll ist.
Allerdings… unsere Züge sind noch immer gut gefüllt. Dass die Nachfrage ungebrochen hoch bleibt, die Züge noch immer sehr voll durch die Gegend fahren zeigt mittlerweile vor allem eines: Die Menschen nutzen den ÖV, solange er einfach, verständlich und bezahlbar genutzt werden kann.

Dazu gehört allem voran nicht die Abschaffung der Verkehrsverbünde. Nein, sie erfüllen eine äußerst wichtige Aufgabe. Denn sie kennen die Region, in der sie tätig sind. Sie können für die Menschen der Region ein zugeschnittenes Angebot gestalten, Busse und Bahnen auf die jeweiligen Bedürfnisse abstimmen und an den wichtigen Knoten mit überregionalen, nationalen und internationalen Verkehrsmitteln verknüpfen.
Ein wichtiger Punkt, der das 9-Euro-Ticket von allen anderen, bisher erhältlichen Fahrkarten unterscheidet, ist die Einfachheit. Ich kaufe eine Fahrkarte und kann im ÖPNV fahren, wohin ich möchte. Hierbei geht es mir nicht darum, dass es sich um ein Flatrate-Angebot handelt. Es geht mir darum, dass ich meine Reisekette von Anfang bis Ende auf einer Fahrkarte abbilden kann. Ich kenne von Anfang an meinen Preis, ich muss meine Reise nicht stückeln und mich mit zig verschiedenen Tarifen und Tarifbestimmungen auseinandersetzen. Letztere sollten sowieso überall möglichst einheitlich festgelegt werden, denn es kann nicht sein, dass in der einen Region das Fahrrad auf dem Abo mitgenommen werden darf, anderswo aber wieder eine Fahrradkarte zu lösen ist.

Auch Rabatt- oder Jahresgesamtnetzkarten sollten grundsätzlich im gesamten Land und in sämtlichen ÖPNV-Verkehrsmitteln gelten. Hier sind uns Österreich mit dem Klimaticket und die Schweiz mit dem Generalabonnement bzw. dem Halbtax einen großen Schritt voraus.

Ein Deutschland-Takt wird kommen. Das ist auch notwendig. Mit einem Deutschland-Takt, der bis in die letzte Ecke des Landes funktionieren soll, wird es aber nicht getan sein. Wettbewerbsbahnen sind in den Markt gedrungen, den sie sich nicht mehr nehmen lassen wollen und müssen. Hier braucht es eine Regulierung aus staatlicher Hand. Es muss geklärt werden, wie die verfügbaren Trassen zwischen den Wettbewerbern aufgeteilt werden. Ein Rosinenpicken muss unterbunden werden, damit nicht ein Wettbewerber die gutausgelasteten Züge fahren kann und dadurch nur den eigenen Gewinn steigert, statt dem Gemeinwohl zu dienen, während staatliche Verkehrsunternehmen mit Unterstützung durch Steuergelder die unwirtschaftlichen Randlagen nutzen muss. Fährt mehr als ein Unternehmen auf der gleichen Strecke, muss es möglich sein, dass hier, beispielsweise durch einen Bruch der Anschlussverbindungen, keine neue Fahrkarte notwendig wird. Yes, I'm looking at you, DB Fernverkehr and FlixTrain. Im Übrigen, der Wechsel auf schnelle Verbindungen durch das Land sollte ebenfalls Teil eines Deutschland-Tarifs werden. Um den Wechsel in höherwertige Züge nachvollziehbar und verständlich zu gestalten.

Ich möchte mir, wenn ich von einem Ort im Land, an einen anderen Reisen möchte, keine Gedanken darum machen müssen, welche Fahrkarten ich alles benötige. Start, Ziel, Rabattkarte, ein Preis für die gesamte Strecke und fertig. Dann möchte ich mir für meine Reise keine Gedanken mehr machen müssen, ob der Zug rot, blau, grün oder weiß ist, ob meine Fahrkarte in den Bussen und Straßenbahnen noch gilt und wenn ja, bis wohin. Einfach kaufen, einsteigen und losfahren. So, wie es das 9-Euro-Ticket heute ermöglicht, wenn auch nur im Nahverkehr und ohne Möglichkeit zum einfachen Wechsel in schnellere Züge.